Yogyakarta und Kraton

Die Tage werden immer erlebnisreicher und voller von Eindrücken … Reizüberflutung allenthalben.

Ein guter Tag beginnt mit einem guten Frühstück, in diesem Falle Pancace mit Papaya, telur mata sapi (Ei Auge Kuh = Spiegelei), Mixed Juice und kopi bali. Sehr lecker, besonders der Pancake war gut.

 

Gestern abend habe ich einen Becak-Fahrer (Fahrradrischka) gefragt, was es denn eine Fahrt zum Kraton, dem Sultanspalast, kostet, er hat sich gleich angeboten, uns morgens abzuholen. Wahrscheinlich hat er direkt vor dem Hotel übernachtet, um sich seine Fahrt zu sichern.

Heute morgen ist Lukas, der Österreicher, den wir gestern kennengelernt haben mit einer Australierin, die auch in seinem Hotel wohnt, zu uns gekommen, zu viert sind wir dann mit zwei Becak zum Palast. Vorher habe ich natürlich den Preis noch etwas runtergehandelt, nachdem ich an der Rezeption den “Normalpreis” erfahren habe, den haben wir dann auch bekommen.

Am Sultanspalast gibt es zusätzlich zur Eintrittskarte noch eine Photo-Lizenz für 1.000 Rp. zu kaufen, kontrollieren tut das aber keiner. Wir sind ein bißchen herumgelaufen und haben uns die verschiedenen Gebäude angeschaut. Laut Reiseführer soll es hier zu irgendeiner Uhrzeit zwischen 10 und 12 Uhr eine Tanzvorstellung von traditionellen javaianischen Tänzen geben … nur wann genau?

In der Ausstellung von Geschirr der ehemaligen Sultane bin ich mit einem der Aufpasser ins Gespräch gekommen, ein bißchen Englisch, ein bißchen Bahasa Indonesia, ich habe meine Standardsätze vorgetragen: Student in Jakarta, ich bin für sechs Monate hier und bin grade dabei, Bahasa Indonesia zu lernen, das was ich hier etwa zehn bis zwanzig Mal am Tag vortrage … anscheinend hat ihn das so beeindruckt, mal einen etwas anderen Touristen zu treffen daß er spontan unser Guide geworden ist und uns die etwas versteckteren Plätze gezeigt hat, die wir ohne Hilfe nicht gefunden hätten.

 

Zuerst sind wir -- auf dem Gelände des Kraton -- zu den Wayang-Herstellern geführt worden. Wayang sind traditionelle Puppen, die für Schattentheater oder auch normales Puppentheater verwendet werden. Sie sind die älteste Tradition in Jawa, mehrere tausend Jahre alt, mit ihren Ursprüngen im Naturalismus, der Verehrung der Natur. Die Handwerker im Kraton sind schon in der zehnten Generation für die Sultansfamilie, die immer noch im Kraton lebt, tätig.  Wir haben von einem der Hersteller viel über die Puppen und ihre Geschichte erfahren, die Herstellung dauert etwa zwei Wochen bis zwei Monate, je nach Größe. Sie werden aus Büffelleder hergestellt und sind sehr langlebig, zur Demonstration hat er eine Puppe zusammengerollt und verknautscht. Die Farben werden nach Geheimrezept der Familie aus Naturzutaten hergestellt, zum Vergleich hat er uns eine mit Chemiefarben bemalte Puppe gezeigt … nicht zu vergleichen. Das Handwerk lernen die Kinder schon von frühestem Alter an, er hat mit sechs Jahren mit kleinen DIngen angefangen, hauptsächlich ist er für das Bemalen zuständig, andere sind für das Ausstanzen der Formen zuständig, und nur der Familienälteste darf die ganz großen Figuren herstellen, so lange bis er es an den nächsten Sohn übergibt.

Hier ist der Onkel mit dem Ausstanzen der Ornamente einer Puppe beschäftigt, mit Holzhammer und Eisenbeitel ist er zu Gange, zwischendurch werden die Messer regelmäßig geschärft.

 

Und der Bruder ist mit Bemalen beschäftigt, im Vordergrund eine fertige Puppe. Die Gelenke werden aus Knochen geschnitzt.

 

Diese Puppe ist 50 Jahre alt, die Haare hat damals die Großmutter gestiftet. Wie man sieht hat die Puppe die Jahre besser überlebt als die Wand dahinter. 

 

Ich habe ein kleines Ornament gekauft, ein Lebensbaum auf der Vorderseite und eine Darstellung der Hölle auf der Rückseite. Und wenn man die Hölle gegen das Licht hält, sieht man durch die ausgestanzten Löcher den Lebensbaum auf der Rückseite. Derzeit gibt es noch kein Bild, aber ich bekomme noch eine Beschreibung per E-Mail zugeschickt, dann werde ich beides zusammen hier veröffentlichen.

Anschließend war es Zeit, zum Tanz zu gehen, wie wir erfahren haben fand er um 11 Uhr statt … gut, wenn man nachfragt. Die traditionellen Tänze wurden von Tänzerinnen und Tänzern in javaianischen Gewändern aufgeführt, dazu Gamelan-Musik. Gamelan sind Schlaginstrumente, Gong, Xylophon, Glocken und Glockenspiel, dazu Gesang. Die Tanzelemente bestehen aus Bewegungen des Kopfes und der Hände, dazu gibt es bestimmte Schrittfolgen. Keine hektischen, schnellen Bewegungen, eher langsam und gemächlich.

 

 

 

Das Gamelan-Orchester.

 

Anschließend ist die Australierin woanders hingegangen und wir sind zu dritt vom Aufpasser, dessen Familie auch schon seit Generationen als Palastwache arbeitet, wieder zu den Wayang-Herstellern geführt worden, weil uns unser Erklärer/Führer dort noch Batik zeigen wollte. Wir sind dann noch weiter in die tief verschachtelten Gänge der “Stadt in der Stadt” gegangen, hier leben etwa 800 Leute, jede Familie führt ihr traditionelles Handwerk oder ihren Beruf seit Generationen aus und gibt das Wissen und den Beruf an die Kinder weiter: Handwerker, Tänzer, Wachen, Köche, Diener … was eben alles so von einem Sultan gebraucht wird. Der Kraton ist autonom vom Rest der Stadt, hier müssen keine Steuern bezahlt werden, und die Familien wohnen umsonst, dafür arbeiten sie eben und verkaufen ihre Waren an Touristen und Sammler. 

In der Batik-Ausstellung angekommen haben wir eine Vielzahl von verschiedenen Stilen angetroffen, etwa 20 Künstler gibt es im Dorf, die Batik herstellen. Unser Führer hat eher eine Vorliebe für Batik, da er hier mehr Freiheiten der Gestaltung hat als bei den Wayang-Puppen, die schon seit tausenden Jahren in der gleichen Form hergestellt werden. Die Batiken werden hergestellt, indem flüssiges Wachs mit einer Art Trichter an einem Stift auf Baumwolle aufgetragen wird. Vorher werden mit einem Stift die Formen vorgezeichnet, dann wird das Wachs an die Stellen aufgetragen, an die keine Farbe kommen soll. Die Farben werden dann der Reihe nach auf den Stoff aufgetragen, die hellste zuerst, die dunkelste zuletzt, dabei werden nach jedem Färbeschritt die Stellen, die nicht mit der nächsten Farbe eingefärbt werden sollen mit Wachs bedeckt. Eine typische Farbreihenfolge könnte etwa gelb, rot, schwarz sein, so daß man zusätzlich mit dem weißen Tuch ein vierfarbiges Bild hat. Durch verschiedene Auftragetechniken des Wachses (mit dem oben beschriebenen Werkzeug, mit einem Pinsel oder durch Verwendung von besonders flüssigem Paraffin-Wachs) und verschiedene Färbetechniken (ganz eintauchen oder nur teilweise mit Farbe bemalen) entstehen sehr interessante Effekte, die aus den eigentlichen vier Farben sehr viel mehr machen können.

Echte Batik erkennt man daran, daß das Bild von beiden Seiten gleich aussieht, da der Stoff durchgefärbt wurde und nicht wie bei einem Druck nur einseitig aufgetragen ist. Außerdem kann man echte Batik waschen und abschrubben, ohne daß was passiert.

Hier ein paar Impressionen der Batikausstellung:

Traditioneller Stil, nach dem Einfärben noch mit Goldfarbe bemalt. Die Goldfarbe ist nur einseitig aufgetragen, aber auch sehr dauerhaft, wie er durch aneinanderreiben der Stofflächen demonstriert hat. Kann also nichts kaputtgehen, und wenn das Bild mal dreckig wird, einfach waschen.

 

Hier ein Beispiel für Farbverläufe:

 

Ein Surrealistisches Bild, von unserem Erklärer erstellt. Der 3D-Effekt der Masken kommt durch unzählige Punkte zustande, die er einzeln auf das Tuch aufgetragen hat, der “wolkige” Hintergrund durch unterschiedlichen Bespritzen des Tuches mit Wachs. An diesem Bild hat er zwei Wochen gesessen.

 

Etwas kitschig, nicht so ganz so mein Geschmack. Hier sieht man, welch unterschiedliche Stile man mit Batik hinkriegt, sieht fast aus wie ein Gemälde aus normaler Farbe.

 

Ich habe eine Batik im traditionellen Stil, ähnlich dem Bild ganz oben etwas kleiner, erstanden. Hier weiß ich, daß es “echte” Batik ist, nicht die teilweise maschinell hergestellten aus den “Kunstschulen”, die es an manchen Orten gibt, die dann überteuerte Preise für minderwertige Qualität verkaufen, wie auch Lisa und Nils gestern erzählt haben.

Wir haben uns noch etwas länger mit dem Erklärer unterhalten, er hat erzählt, daß er zwar Moslem ist, aber eher nach dem Naturalismus lebt, zu 10% lebt er nach islamischen Regeln. Es war eine sehr interessante Erfahrung, so viel über die Kultur und das Wesen der Leute hier zu erfahren, mit einem “normalen” Guide, den man für teures Geld am Eingang anheuern kann, hätten wir das sicherlich nicht gehabt.

Nachdem wir den Kraton verlassen haben wollten wir zum Wasserpalast, die ungefähre Richtung wußten wir, und als wir die Straße langliefen rief uns ein Einheimischer zu, daß wir ihm folgen sollen, um den “water palace” zu sehen, er wollte uns rumführen. Nach kurzer Beratung sind wir ihm gefolgt, wieder durch ein Gewirr von Gassen zwischen durcheinanderstehenden Häusern hindurch, bis wir schließlich bei einer Ruine angekommen sind. Diese war früher mal ein Erholungssitz des Sultans, mit einem Park außenherum, allerdings ist vom Park nicht mehr viel übriggeblieben, wie man auf dem folgenden Bild sieht: Häuser, Häuser, Häuser.

 

 

Hier eine Übersicht über das Gelände, auf der rechten Seite das ehemalige Wasserschloß, die Ruine, links die die Suntanische Badeanstalt, die wir anschließend -- nach Erwerb von Eintrittskarte und Foto-Erlaubnis -- besucht haben.

 

Der “öffentliche” Swimming-Pool, zwei große Becken, im Gebäude hinten hat sich der Sultan aufgehalten und seinen Frauen beim Baden zugeschaut … ja, Sultan müßte man sein ;-) Dahinter ist ein drittes, sein privates Schwimmbad.

 

Hier habe ich dann mal die Füße ins Wasser gesteckt, sehr angenehm.

 

Auf dem Gelände befinden sich auch verschiedene Ruinen, die frühere Sultane bewohnt haben, hier das Schlafzimmer mit einem gemauerten Bett, unten drunter kann man Feuer anmachen, wenn es in der Nacht kälter wird.

 

Dann war die Führung durch unseren Spontan-Führer zu Ende, es war sehr interessant, er hat uns die Funktion der verschiedenen Räumlichkeiten auf indonesisch-englisch erklärt und uns überall hingeführt, dafür haben wir ihm dann am Ende einen kleinen Obulus gegeben, obwohl er eigentlich gar nichts wollte.

Das nächste Ziel war der Vogelmarkt, allerdings gibt es hier nicht nur Vögel, sondern Tiere aller Art zu kaufen. Wir sind durch die Gänge gelaufen, hier war es sehr angenehm, daß uns niemand etwas verkaufen wollte, wie das sonst auf den Märkten so ist.

Ein paar Eindrücke der verschiedenen Tiere, die so angeboten wurden:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachdem wir genug Tiere gesehen haben, von denen ich manche gar nicht vom Namen kenne sind wir wieder auf die Hauptstraße gekommen, dort war schon unser Becak-Fahrer von heute morgen und hat auf uns gewartet … woher auch immer er wußte, wo wir rauskommen werden. Da wir ihn für den ganzen Tag “gebucht” hatten und dementsprechen noch nicht bezahlt hatten, ist er uns wohl irgendwie gefolgt, zwischendrin sind wir ihm nochmal begegnet und er hat sich erkundigt, was wir noch so alles anschauen wollen.

Mittlerweile war es schon früher Nachmittag und wir hatten Hunger, so daß wir uns zu einem Restaurant haben fahren lassen, Sundanesisches Essen. Wir haben jeder einen Teller Reis bekommen, außerdem gab es Rindfleisch, Garnelenspieße, Spinat, Gurken, Omlett und scharfe Erdnuß-Chilli-Soße. Die ganzen Sachen werden fertig zubereitet vorne im Schaufenster gelagert und man bekommt dann eine Auswahl davon auf den Tisch gestellt, Menükarte gibt es nicht. Das Essen ist daher kalt, nur der Reis ist einigermaßen warm, aber warmes Essen, wie es das bei uns “zu Hause” gibt, kennt man hier nicht.

 

Nach dem Essen sind wir zu Fuß weitergelaufen, unseren Fahrer haben wir frühzeitig ausbezahlt, da wir die Gegend anschauen wollten. Wir sind zum großen Basar gegangen, hier wollte Lukas Gewürze kaufen. Auf dem Weg habe ich bei einem Laden ein Yogya-T-Shirt gekauft, in der Hoffnung, daß es hier preiswerter als bei einem Straßenhändler ist … naja, Fehlspekulation, beim Straßenhändler war der Anfangspreis halb so viel wie der Festpreis im Geschäft. Nächstes Mal: Preise besser vergleichen und nicht gleich das erstbeste kaufen, alle Waren gibt es hier nämlich bei mindestens zehn weiteren Verkäufern.

Im Basar haben wir einen der herumstehenden Verkäufer nach Gewürzen gefragt, er hat uns dann persönlich durch den ganzen Markt geführt … anscheinend haben Indonesier eine Vorliebe für verschachtelte Gänge und chaotische Stände.

 

Wir sind grade noch rechtzeitig um halb vier gekommen, um vier Uhr werden nämlich die Türen geschlossen. Beim Gewürzhändler hat Lukas dann Vanilleschoten, riesige Zimtstangen und Muskatnüsse erstanden. 100 großzügige Gramm Vanilleschoten kosten 8 Euro … da kriegt man in Deutschland grade mal 3-4 Stück für, die anderen Gewürze waren in ähnlichen Preisklassen.

 

Gitte hat sich noch ein paar neue Flip-Flips gekauft, mit traditionellem Batikmuster, und dann ging es ab nach Hause. Auf dem Weg mußten wir uns wieder gegen Unmengen von Straßenverkäufern und Becak-Fahrer wehren.

 

Unterwegs habe ich noch zwei Bahasa Indonesia Bücher gekauft, für Schüler der Grundschule Klasse 1 und 2. Genau mein Niveau :-)

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